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Kendo München BUDO MÜNCHEN Japanischer Schwertkampf Iaido Kendo

Gedanken zum Kendo

Vortrag: Prof.em.Kotaro Oshima, 7.Dan Kendo Hanshi

zusammengestellt am 22. Juli 2004 von Wolfgang Wladislaus Demski, 7. Dan Kendo Kyoshi, Ehrenpräsident des Deutschen Kendobundes

Quelle: http://www.dkenb.de

Wie allgemein bekannt, wurde Kendo nach dem 2. Weltkrieg von den Alliierten verboten und somit entstand eine zirka 10-jährige Pause, die Zeit während des Krieges mit eingerechnet. Aus diesem Grund ist die Zahl der Personen, die eine Verbindung zum Kendo der Vorkriegszeit besitzen, gering. Die meisten der heutigen Lehrer aus „der ersten Reihe“ haben (erst) mit dem Wettkampfkendo begonnen. Genau wie sie die Geschichte, Politik und Wirtschaft des Kendo erst nach dem 2. Weltkrieg erlebten, so haben die meisten auch keine Verbindung zum Vorkriegskendo (kennen den Zusammenhang nicht).

Die Reform des Kendo kann grob zweigeteilt werden: die Meiji-Restauration und das Jahr Showa 20 (1945/46). Die Reform von Showa 20 beinhaltete, dass die Äußerungen der bis dahin in die Kendowelt involvierten Lehrer ganz verboten wurden, was unter der Führung der Alliierten vorangetrieben wurde. Diesen Hintergrund zu kennen, haben die meisten heutigen Menschen sowohl keinen Grund, als auch keine Gelegenheit etwas über ihn zu hören. Aber ist es denn nicht doch wichtig, über das Kendo der Vorkriegszeit Bescheid zu wissen?

Das Kendo der Vorkriegszeit und das heutige

Das Ziel des Budo vor dem 2. Weltkrieg war die Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus und die Vaterlandsliebe, der Patriotismus. Darüber hinaus etwas zu erstreben galt als schlecht. Folglich – las man Kendobücher dieser Zeit – wurde immer das Konzept der Kaisertreue und Vaterlandsliebe ins Zentrum (als Ausgangspunkt) gesetzt. Dieser Geist von „Kiku (Kaiserhaus) und Kantana (Bushi)“ war in der Gesellschaft der Vorkriegszeit tief verwurzelt. Kämpfe mit scharfen Waffen nach dem Prinzip „schneiden oder geschnitten werden“, ernsthafte Diskussionen über Schicksal, Leben und Tod, waren Praxis des Kendo.

Aber dasselbe Schwert, welches den Menschen schneiden soll, schneidet jemanden auch ebenso selber und ist ein vielseitiges Schwert. Sieht man das Schwert auch als Waffe, so will man seine Fähigkeiten für Moral und Sittlichkeit doch auch gerne nutzen.

Deshalb schlägt man im Kendo „Men“, „Kote“, „Do“ und „Tsukibu“, die instinktiv am leichtesten zu verteidigenden und am schwersten zu treffenden Flächen. Um diese zu schlagen, sind mit dem „Seme“ beginnend unterschiedliche Techniken von hohem Niveau zu realisieren (instinktiv zu erfassen), zu verstehen und die darin enthaltene Geschichte zu erlernen. Der Effekt ist das Trainieren von sowohl Körper als auch Geist.

So wurde also im Kendo der Vorkriegszeit besonders viel Gewicht auf die grundsätzliche Idee des „Schneidens“ gelegt, und daher wurden bloße Berührungen keine Punkte. Erst wenn ein Schnitt so ausgeführt wurde, dass man das Gefühl hatte, er ging durch das Leder in das Fleisch und dann durch das Fleisch bis in den Knochen, dann sagte man erstmals „Hey, das war ein Punkt!“

Im Kendo der Vorkriegszeit konnte man sich des Gefühls nicht erwehren, dass Kendo begriffen wurde als Kampf mit scharfen Waffen zur Unterstützung der den Bürgern auferlegten Pflicht des Wehrdienstes.

Wenn ich heutzutage, im Alltag der Friedenszeit an die vielen (unterschiedlichen) tragischen Zwischenfälle (Ereignisse) denke, dann begreife ich, dass eine Rolle des traditionellen Kendo darin liegt, eine innere Einstellung der „Vorbeugung (Vorbereitung)“ zu schaffen.

Dementsprechend haben die Alliierten das gegenwärtige Kendo als Wettkampfsport wieder aufleben lassen, um den militaristischen Geist kein zweites Mal aufflammen zu lassen. Aber um die Kunst (Technik) der Rauferei zu einem Sport zu machen, muss die Sicherheit ausreichend garantiert sein und es bedarf großer Anstrengungen sowie Verständnis (Aufnahmefähigkeit), um die Besonderheiten (Eigenschaften) dieser Disziplin zu entfalten. Tatsächlich sind im heutigen Kendo die besonderen Eigenschaften des Schwertes nicht hervorgehoben, die Hauptströmung ist die des geradlinigen Kendo mit einer Überbetonung auf der Geschwindigkeit. Wenn sich dieser Zustand fortsetzt, wird es sich von einem „Hauptsache-schnell-Sportschwertkampf“ nicht mehr unterscheiden, und die Merkmale (Eigenschaften) des „Weges des Schwertes“ im Kendo gehen verloren. Somit würde das Kendo sehr schmalspurig werden, und man müsste wohl befürchten, dass das Kendo dem Ende zu gehen (degenerieren) würde.

Wie im Iai, wo man mit einem echten (original) Langschwert die empfindlichsten Körperstellen eines Gegners schneidet, so wünschte ich, dass mit dem Betreten der Kampffläche mit einer Entschlossenheit geübt würde, als wolle man die Entscheidung mit einem echten Schwert fällen. Kendo als Wettkampf ist, wie ich meine, keine schlechte Sache. Wieso muss man nun im Kendo die am schwersten zu treffenden Stellen schlagen? Oder ist es nicht auch sehr wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, worin diese Notwendigkeit liegt?

Im Kendo sagt man „1. Auge, 2. Fuß, 3. Mut/Geist, 4. Schwert“. Dementsprechend ist, um zu siegen, Mut erforderlich. Letztendlich muss „Sutemi“ (alles auf eine Karte setzen/sich selbst wegwerfen) beherrscht werden.

Sieht man sich nun z.B. das heutige Studentenkendo an, so stellt man fest, dass es Kämpfer gibt, die eine halbherzige Art zu schlagen haben. Sie schlagen nur zur Hälfte und verteidigen zur anderen Hälfte. Selbst wenn sie gut schlagen, erreichen sie doch nur 50% des Punktes. Aber wenn man mit der Energie, jederzeit eine tödliche Verletzung zu verursachen eine Technik einsetzt, dann braucht man sich um das, was nach dem Schlag kommt keine Sorgen mehr zu machen. Ähnlich ist es beim Golf.

Wenn man nach den Grundprinzipien schlägt, fliegt der Ball so wie man es möchte. Wenn man sich aber nur um den Flug des Balles Gedanken macht, so hört man oft, dass er dann seine Richtung total von der gewünschten ändert (in völlig anderer Richtung landet). Genauso ist es im Kendo auch. Würde man mit einer Einstellung schlagen, bei der man nur an die (angestrebte) tödliche Verletzung des Gegners denkt, dann würde man sich dadurch sicher selbst schützen, ohne sich zu verteidigen.

Hinzu kommt, dass es im Wettkampfkendo auch Kampfrichter gibt, die die Fahne heben, auch wenn keine den Gesetzen des Schwertes folgende Techniken ausgeführt werden. Besonders wenn solche Techniken dann bei großen Meisterschaften zu Punkten werden, die im Fernsehen übertragen werden, können aus den Zuschauern einige hervorgehen, die sie nachahmen. Das führt dazu, dass es im Shiai nur noch um das bloße Gewinnen geht. Es ist bedauerlich, dass es (bereits) zu einer Entwicklung kam, in der man sehr häufig Wettkämpfe sehen kann, die sich nur an den Wettkampfregeln orientieren.

Berührungspunkte zwischen Kendo als traditioneller Kultur und dem Wettkampfkendo

Wenn man meine bisherigen Aussagen liest, kann man denken, dass ich das Wettkampfkendo für schlecht und das traditionelle Kendo für gut halte. Aber so ist es nicht. Ich achte und respektiere beide Formen und möchte zum Ausdruck bringen, dass es wichtig ist, die Berührungspunkte dieser beiden Formen zu erkennen.

Betrachtet man die gegenwärtige japanische Gesellschaft, in der die Lebenserwartung von 50 auf 80 Jahre angestiegen ist, so nimmt das Alter von jetzt an immer mehr zu. Gleichzeitig können die älteren Generationen (die Senioren) sowohl wirtschaftlich, als auch zeitlich mehr Freizeit genießen und es werden nicht wenige sein, die durch das (dank des) Gesundheitssystem(s) Nutzen aus dem Kendo ziehen können (Kendo weiter betreiben können). Aber über die Fortsetzung des Kendo der Senioren hinaus, ist dessen Umfeld nicht definiert (kontrolliert).

Auch wenn man davon ausgeht, von klein auf mit Kendo aufzuwachsen, ist es doch keine einfache Sache. Die Geräusche der Shinai oder auch die Kontrolle über die Zahl der Schüler machen das Management eines Dojo zu einer risikoreichen Angelegenheit. Sicher gibt es unter den älteren Generationen auch Leute, die das Kendo der Vorkriegszeit als das Gute bezeichnen und gegen das heutige Kendo Vorurteile haben.

Aber es ist auch Tatsache, dass diese Leute ihr Leben und ihr Vermögen für Kendo gaben und all ihre Kraft in Kendo investierten. Diese Leute mit einbeziehend ist es wohl wichtig, neben dem Bedauern über die Rückläufigkeit der Zahl der Kendotreibenden, den Älteren Orte (Gelegenheiten) für ihre Aktivitäten zu schaffen. Außerdem glaube ich, dass man die Weiterentwicklung des Kendo nicht überblicken (unterstützen) würde, wenn man den Älteren keine Umgebung schüfe, in der sie ihr Kendo effektiv fortführen können. Gibt man den Älteren Raum für ihre Aktivitäten, so wird sich das meiner Meinung nach auch in einer Korrektur des zu sehr geschwindigkeitsbetonten Kendo auswirken. Denn die Senioren kämpfen nicht mit Geschwindigkeit sondern mit Herz…

Bedauerlicherweise hat sich der schlechte Einfluss, den das Kendo mit dem Schwerpunkt auf der Geschwindigkeit ausübt, bereits bis ins Ausland erstreckt und es ist eine ernstzunehmende Sache.

Vor einigen Monaten habe ich das Jubiläumsseminar zum 25-jährigen Bestehen des deutschen Kendo-Verbandes besucht und wurde um diesen Vortrag gebeten.

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